Wir sind von klein an daran gewöhnt, dass Wissen Top-Down („von oben herab“) zu uns gelangt. Unsere Eltern vermitteln uns unser erstes Wissen, Kindergärten erüben erste Techniken mit uns, Schulen bringen uns in strukturierter Form anerkanntes und unstrittiges Standardwissen bei. Wenn wir einen Arbeitgeber auswählen, dann passiert das in der Regel auf Basis von Themen und Aufgabenstellungen die uns interessieren. Wir erhoffen Neues zu erlernen und anwenden zu können. Der Top-Down-Prozess ist unglaublich hilfreich für das Lernen.
Für eigene Ideen und Themen ist jedoch oft wenig Platz. Das äußert sich in Aussagen wie „das ist einfach nicht unser Thema“ oder „dahinter steckt kein Nutzen“. Einzelkämpfer haben es schwer, neue Ideen und Themen Bottom-Up („von unten herauf“) in einer gegebenen Struktur nach oben zu reichen, die Top-Down funktioniert. Die Kollision von Top-Down und Bottom-Up-Methoden ist ein wohlbekannter Prozess, den wir „Gegenstrom“ nennen. Beide Kräfte dieses Gegenstroms sind wichtig: Der Top-Down-Ansatz sorgt für Stabilität, der Bottom-Up-Ansatz für Innovation. Top-Down-Ansätze werden durch „Management“ getrieben, Bottom-Up-Ansätze durch „Leadership“. „Management“ beschäftigt sich mit dem effektiven Einsatz von Resourcen, „Leadership“ mit dem Erschliessen von Innovationen durch eine Gruppe.
Top-Down-Prozess laufen in etablierten Gruppen und Strukturen ab. Das macht sie auf der einen Seite stabil, auf der anderen Seite schwer zu überwinden. Bottom-Up-Prozesse starten jedoch von einzelnen Personen aus, sind also von Natur aus schwerfällig. Einfacher wird es, wenn eine Gruppe daran arbeitet, neue Themen oder neues Wissen zu etablieren. Doch je innovativer eine Idee ist, desto schwieriger wird es Menschen zu finden, die sie in früher Phase teilen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Kommunikations-Reichweite und der Wirkungskreis des Einzelnen eingeschränkt ist.
Das Internet erhöht die potentielle Reichweite der Kommunikation eines Individuums gewaltig. Es wird leichter andere zu finden, die eine neue Idee teilen. Sozialer Rückhalt erhöht die Energie ein Thema Bottom-Up einzuführen. Das erklärt für mich warum hierarchische Strukturen (wie beispielsweise Unternehmen) mehr und mehr auf Gegenstrom-Effekte stossen. Der soziale Erfolg des Internet 2.0 „im privaten“ wird diesen Effekt im Bezug auf Hierarchien „im Berufsleben“ verstärken. Ist man auf Stabilität bedacht, wirkt das wie ein Ärgernis. Ist man auf Innovation aus, ist es eine gewaltige Chance. Fest steht für mich, dass die Kollision im Gegenstrom ein gewaltiges Energiepotential hat. Der sinnvolle Einsatz dieser Energie zum Wohle aller Beteiligten scheint mir mehr und mehr ein lohnenswertes Betätigungsfeld zu sein. Unkontrolliert scheint mir diese Energie nur zu „verpuffen“.